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"Ist unsere Demokratie noch wehrhaft?"/6. Gemeinsames Symposium der ostdeutschen Verfassungsschutzbehörden und Berlins am 23. Mai 2019 in Schwerin

ID: 2133602

(ots) -
Die Verfassungsschutzbehörden der ostdeutschen Flächenländer und
Berlins haben am heutigen Verfassungstag, dem 23. Mai 2019, in
Schwerin ihr diesjähriges gemeinsames Symposium zu einem
hochaktuellen Thema durchgeführt.

Das Jahr 2019 erinnert an bedeutende Daten deutscher Geschichte:
100 Jahre Weimarer Republik, 70 Jahre Grundgesetz für die
Bundesrepublik Deutschland und 30 Jahre "Mauerfall". Für die
diesjährige Tagung wurde daher bewusst ein grundsätzliches Thema und
dieser besondere Tag für das gemeinsame Symposium gewählt.

Das Thema "Wehrhafte Demokratie" ist die "Geschäftsgrundlage" -
der Auftrag aus dem Grundgesetz an den Verfassungsschutz. Als
"Brandmelder" hat er Gefährdungen für Freiheit und Sicherheit zu
registrieren und mitzuteilen.

Im Rahmen des Symposiums wurde ausgehend von der zugrundeliegenden
Konzeption des Grundgesetzes der Frage nachgegangen, ob und inwieweit
dieser Anspruch heute gelebt wird und welche Gefährdungen für das
demokratische Gemeinwesen heute und in Zukunft bestehen. Die Beiträge
der namhaften Experten aus unterschiedlichen politischen und
gesellschaftlichen Bereichen machten deutlich, wie aktuell das Thema
ist.

Minister Lorenz Caffier wies in seinem Grußwort auf die Bedeutung
des Verfassungsschutzes in der deutschen Sicherheitsarchitektur hin
und betonte dessen Rolle als maßgebliche Bewertungsinstanz für den
politischen Extremismus. Wörtlich sagte er: "Für mich steht die
Bedeutung des Verfassungsschutzes außer Frage. Nur durch seine Arbeit
bereits im Vorfeld von Angriffen auf die Menschenwürde, das
Demokratie- oder Rechtsstaatsprinzip können wir Schlimmeres
verhindern. Gerade der Untergang der ersten Demokratie in
Deutschland, die vor hundert Jahren gegründet wurde, muss uns dabei
eine ständige Mahnung sein."





Schwerins Oberbürgermeister Dr. Rico Badenschier verwies in seinem
Grußwort u.a. auf eine Besonderheit des Schweriner Welterbeantrags,
der mit dem Schweriner Residenzschloss als heutigem Landtagssitz auch
ein Zeugnis für unsere hart erkämpfte demokratische Grundordnung ist.

Herr Professor Dr. Dr. Markus Thiel von der Deutschen Hochschule
der Polizei in Münster-Hiltrup, der sich eingehend wissenschaftlich
mit dem Thema "Wehrhafte Demokratie" beschäftigt hat, beschrieb
anschließend deren verfassungsrechtliche Verankerungen und legte
damit die Basis für die weiteren Fachvorträge. Er zeichnete die
Entwicklung der "Wehrhaften Demokratie" als Verfassungsprinzip in der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach und erläuterte die
wesentlichen grundgesetzlichen Einzelausprägungen zum Schutz der
freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Dazu führte Thiel aus:
"Die deutsche Verfassungsordnung ist dezidiert wehrhaft ausgestaltet.
Sie trifft Vorkehrungen zur Verteidigung ihrer zentralen
Wertentscheidungen gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen."

Welchen unterschiedlichen aktuellen Herausforderungen und
Gefährdungen aus dem In- und Ausland sich die Sicherheitsbehörden zu
stellen haben, wurde anschaulich durch den Beitrag des
Abteilungsleiters Polizeilicher Staatsschutz im Bundeskriminalamt,
Herrn Jürgen Peter, deutlich. Er betonte, dass neben der Bedrohung
durch den internationalen Terrorismus der Rechtsextremismus und die
Politisch motivierte Kriminalität - rechts - die größte
Herausforderung für den Rechtsstaat darstelle. Peter folgerte: "Neben
einer starken Zivilgesellschaft brauchen wir hellwache
Verfassungsschutzbehörden, eine leistungsstarke Polizei sowie eine
zeitnah und konsequent agierende Justiz. Erfolgreich werden wir zudem
nur im Verbund mit unseren europäischen Partnern sein."

Professor Dr. Klaus Schroeder, der langjährige Leiter der
Arbeitsstelle für Politik und Technik und des Forschungsverbundes
SED-Staat der Freien Universität Berlin warf einen fulminanten Blick
auf die "Wehrhafte Demokratie" aus politikwissenschaftlicher Sicht.
So betonte Professor Schroeder, dass eine lebendige Demokratie
streitbar und wehrhaft sein muss. Sie darf aber den Feinden von
Freiheit und Demokratie keine Möglichkeit geben, ihre Vorstellungen
umzusetzen. Am Beispiel des Linksradikalismus/Linksextremismus wies
er darauf hin, wie schwer es ist, radikale, aber nicht
verfassungsfeindliche und extremistische Kräfte auseinanderzuhalten.
Gleiches gilt für die rechte Seite des politischen Spektrums. Eine
wehrhafte Demokratie müsse allen Feinden einer offenen Gesellschaft
gleichermaßen entschieden entgegentreten.

Unter der Frage "Aufklärung oder Ablenkung? Zur prekären Rolle des
Journalismus in der Mediengesellschaft" beleuchtete Professor Dr.
Michael Haller, Wissenschaftlicher Direktor des Europäischen
Instituts für Journalismus- und Kommunikationsforschung in Leipzig,
die dem Journalismus zugeschriebenen Aufgaben. Er wies sehr
eindringlich auf das "Spannungsfeld zwischen den Leitmedien und
großen Teilen der Bevölkerung" hin. Haller machte deutlich, dass der
Journalismus erst noch lernen müsse, wie in der digitalisierten
Gesellschaft Verständigung funktioniere. Haller wörtlich: "Ohne
Verständigung zerfällt die Gesellschaft in isolierte Gruppen. Und
solche Prozesse schaden der Demokratie."

Abgerundet wurde die Vortragsreihe durch Kai Marcus Strittmatter,
der den Blick auf Entwicklungen im Ausland richtete, die für uns in
Deutschland bedeutsam sind. Als Auslandskorrespondent für die
Süddeutsche Zeitung hat er u. a. lange in China gelebt. Eindrucksvoll
beschrieb er die aus dem Zusammenwirken von Wirtschaftsmacht und
einer zentralistisch-kommunistischen Staatsdoktrin erwachsenden
Gefahren für demokratische Staaten. Anders als Demokratien müssen
sich diese Systeme nicht der Kritik ihrer Bürger stellen und ihr
Handeln rechtfertigen.

In der abschließenden Podiumsdiskussion wurden weitere Fragen
unter reger Mitwirkung der interessierten Teilnehmerinnen und
Teilnehmer erörtert.

An der Veranstaltung im Ludwig-Bölkow-Haus der Industrie- und
Handelskammer nahmen mehr als 150 Personen aus Politik, Wissenschaft,
den Medien, Kirchen, Ministerien, Behörden, Gewerkschaften, Schulen
und der Zivilgesellschaft teil. Der Leiter der
Verfassungsschutzbehörde Mecklenburg-Vorpommern, Reinhard Müller,
dankte abschließend allen Beteiligten, insbesondere auch dem
Moderator der Veranstaltung, Herrn Michael Götschenberg vom
ARD-Hauptstadtstudio in Berlin. Er habe durch seine souveräne
Moderation ganz wesentlich zum erfolgreichen Verlauf des Symposiums
beigetragen. Damit verband er den Wunsch, dass die Veranstaltung auch
über den Tag hinaus wirken werde.

Umrahmt wurde das Symposium durch flotte Musikdarbietungen der
Dixieland-Jazz-Band des Landespolizeiorchesters
Mecklenburg-Vorpommern.

O-Töne der Leiter Verfassungsschutzbehörden:

Leiter Verfassungsschutz Berlin, Michael Fischer, erklärte: "Die
gemeinsamen Symposien der Verfassungsschutzbehörden von Berlin,
Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und
Thüringen haben sich in den letzten fünf Jahren zu einem
erfolgreichen Format entwickelt, in dessen Rahmen gesellschaftlich
und sicherheitspolitisch relevante Entwicklungen diskutiert werden.
Dies trifft auch auf das heutige Symposium zu, das eindrucksvoll
gezeigt hat, wie sehr Freiheit und Sicherheit einander bedingen. Das
Konzept der ,Wehrhaften Demokratie' hat insofern - auch 70 Jahre nach
Inkrafttreten des Grundgesetzes - nichts von seiner Aktualität
verloren."

Leiter Verfassungsschutz Brandenburg, Frank Nürnberger,
resümierte: "70 Jahre Grundgesetz sind 70 Jahre Freiheit und
Demokratie. Das Grundgesetz hat sich gegenüber seinen Feinden als
wehrhaft und als Wert an sich bewährt. Trotz allem gilt es, wachsam
zu bleiben und streitbar für die Demokratie einzutreten."

Leiter Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern, Reinhard Müller,
führte aus: "Der Verfassungsschutz ist nach dem Grundgesetz der
'Brandmelder' der 'Wehrhaften Demokratie' für Freiheit und
Sicherheit, die auch die Grundlagen für unseren Wohlstand sind. Er
hat im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeit rechtzeitig auf
Entwicklungen aufmerksam zu machen, die das friedliche Zusammenleben
und das demokratische Miteinander gefährden. Dies sollte allen, denen
unser Land am Herzen liegt, gerade im diesjährigen Jubiläumsjahr
besonders 0bewusst sein."

Präsident Verfassungsschutz Sachsen, Gordian Meyer-Plath, betonte:
"Je mehr es Extremisten gelingt, in nicht-extremistische Bereiche
vorzudringen, desto stärker ist die Gefahr der ,Entgrenzung'.
Aufgrund der rasanten Entwicklung der digitalen Medien können
Dynamiken entstehen, die eine ernstzunehmende Gefahr für die
freiheitliche demokratische Grundordnung darstellen."

Leiter Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt, Jochen Hollmann, machte
deutlich, "dass Extremisten zunehmend das Vermischen und Vernetzen
mit Nichtextremisten anstreben, um diese für ihre ideologischen Ziele
zu instrumentalisieren. Dies wird eine der zukünftigen
Herausforderungen für die 'Wehrhafte Demokratie' sein. Hier ist der
Verfassungsschutz als Frühwarnsystem und Informationsdienstleister
gefordert, um präventiv für die verschiedenen Erscheinungsformen und
ideologischen Ziele der Extremisten zu sensibilisieren.

Präsident Verfassungsschutz Thüringen, Stephan J. Kramer, stellte
klar: "Aktuelle Erkenntnisse belegen, dass auch 70 Jahre nach der
Verabschiedung unseres Grundgesetzes heute wieder verstärkt
fragwürdige, auf Vereinfachung und Ausgrenzung beruhende
Menschenbilder in Erscheinung treten. Der Verfassungsschutz leistet
im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben seinen Beitrag für Menschenwürde
und Demokratie. Er unterstützt - auch im Rahmen dieses Symposiums -
dabei das Anliegen ,Farbe bekennen für Demokratie'. Als Präsident des
Thüringer Verfassungsschutzes appelliere ich an alle Mitbürger,
unseren demokratischen Rechtsstaat entschlossen gegen Ausgrenzung,
Hass und Hetze zu verteidigen. Der beste Verfassungsschutz sind
mündige Bürgerinnen und Bürger!"

Näheres zum Symposium 2019 siehe auch unter
www.verfassungssschutz-mv.de .




Rückfragen bitte an:

Ministerium für Inneres und Europa Mecklenburg-Vorpommern
Pressestelle
Marion Schlender
Telefon: 0385/588-2003
E-Mail: marion.schlender(at)im.mv-regierung.de
http://www.regierung-mv.de

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Datum: 23.05.2019 - 16:25 Uhr
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