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Rede von Innenminister Ralf Jäger anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2012 am 10. Juni 2013 in Düsseldorf

ID: 883950

(ots) - Wir bleiben wachsam und halten Kurs gegen
jede Form von Extremismus. Das ist unser Auftrag - wir brauchen eine
wehrhafte Demokratie! Der Ver-fassungsschutzbericht 2012 zeigt, dass
wir es weiterhin mit zwei zentralen Herausforderungen zu tun haben:
Dem Rechtsextremismus und der wachsenden Bedrohung durch den
Salafismus. Hier setzt der Verfas-sungsschutz NRW seine Schwerpunkte.

Die Aufarbeitung der Taten des NSU ist noch nicht abgeschlossen.
Der vor dem OLG in München anhängige Prozess gegen Beate Zschäpe und
vier weitere Angeklagte rückt die Frage nach dem "Warum" aktuell
wieder in den Fokus der Öffentlichkeit. Das ist bedrückend, für die
Angehörigen der Opfer sogar quälend. Wir haben in NRW bereits Lehren
aus den Fehlern der Vergangenheit gezogen und werden auch künftig
alles daran setzen, dass sich so etwas möglichst nie wiederholt!

Dafür brauchen wir einen leistungsfähigen Verfassungsschutz. Wir
brauchen seine Erkenntnisse und seine Expertise, um den Kampf gegen
die Feinde unserer Demokratie konsequent fortzuführen. Das ist nicht
nur meine Überzeugung. Auch die von der Innenministerkonferenz und
der Bundesregierung eingesetzte Bund-Länder-Kommission
Rechtsterrorismus ist kürzlich zu dem Ergebnis gekommen, dass der
Verfassungsschutz eine nicht wegzudenkende Säule unserer
Sicherheitsarchitektur ist.

Fest steht aber auch, dass es ein schlichtes "Weiter so" nicht
geben darf. Wir brauchen vielmehr einen Verfassungsschutz, der
akzeptiert und in der Mitte der Gesellschaft verankert ist. In NRW
haben wir hierzu bereits einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den
Weg gebracht. Wir setzen dabei auf mehr Transparenz und eine
intensivere Kontrolle durch das Parlament. Mit klaren gesetzlichen
Vorgaben für den Einsatz von V-Leuten wollen wir das Vertrauen der
Bürgerinnen und Bürger in den Verfassungsschutz zurückgewinnen und




zeigen: Er schützt unsere Demokratie.

Die Sicherheitsbehörden in NRW sind schlagkräftiger geworden. Sie
greifen durch, wo immer es rechtlich möglich ist. Vor allem die
Verbote der Kameradschaften in Köln, Aachen, Dortmund und Hamm waren
ein erfolgreicher Schlag gegen die rechtsextremistische Szene. Sie
waren zugleich ein positives Signal an alle, die sich in unserer
Gesellschaft gegen Rechtsextremismus einsetzen. Viele Bürgerinnen und
Bürger fühlen sich in ihrem Engagement unterstützt. Das ist wichtig
für eine funktionierende Demokratie. Auch deswegen setze ich mich für
ein Verbot der NPD ein. Es ist ein klares Zeichen an die Menschen
unterschiedlichster Herkunft, die hier in Frieden leben wollen. Noch
klarer wäre dieses Signal gewesen, wenn sich auch Bundesregierung und
Bundestag dem parteiübergreifenden Ja des Bundesrates zu einem
NPD-Verbotsantrag angeschlossen hätten. Dass diese Chance vertan
wurde, ist sehr bedauerlich.

Die Wirkungen der Kameradschaftsverbote waren unmittelbar zu
spüren: Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse wurden
Strafverfahren ein-geleitet, rechtsextremistische Aufmärsche zum
sogenannten nationalen Antikriegstag in Dortmund und der sogenannte
Trauermarsch in Stolberg wurden verhindert.

Der ständige Druck hat Teile der rechtsextremistischen Szene
verunsi-chert. Der Zulauf zu unserem Aussteigerprogramm für
Rechtsextremisten ist deutlich angestiegen: Im Jahr 2012 hat sich die
Zahl der Neuzugänge gegenüber dem Vorjahr verdoppelt, rund vierzig
Personen werden aktuell im Programm betreut. Bis zu fünf Jahre werden
die Ausstiegswilligen von Experten begleitet. Auf die wachsende
Nachfrage haben wir reagiert und das Programm personell verstärkt.

Die Unbelehrbaren sind nicht von der Bildfläche verschwunden. Sie
haben sich der Partei DIE RECHTE mit einem eigenen Landesverband
angeschlossen. Mit bislang rund 170 Mitgliedern in NRW ist DIE RECHTE
Auffangbecken für Mitglieder der verbotenen Kameradschaften und auch
für Mitglieder der NPD. Diese Neonazis verkriechen sich hinter dem
Schutzschild des Parteienprivilegs. Wie viel Provokation und Hass in
dieser Partei stecken, zeigt sich bereits an ihren Kandidaten für die
Europawahl: Wer einen angeklagten Neonazi in U-Haft auf Listenplatz
eins und einen wegen Volksverhetzung verurteilten Veranstalter
diverser Rudolf-Heß-Gedenkmärsche auf Listenplatz zwei aufstellt,
zeigt unverblümt, was er von unserer Demokratie hält: Nämlich nichts.
Darum steht fest: Wir sehen genau hin! Wir handeln, sobald es
rechtlich möglich ist!

Wir halten ebenso Kurs gegen den Rechtsextremismus, der wie Pro
Köln und Pro NRW im bürgerlichen Zwirn daher kommt. Das sind geistige
Brandstifter. Mit ihren fremdenfeindlichen Parolen schüren sie Hass
und Rassismus. Ich begrüße daher sehr, dass das Verwaltungsgericht
Düs-seldorf gerade zum wiederholten Male Klagen von Pro Köln und Pro
NRW gegen die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht abgewiesen hat.

Auch auf den Salafismus richtet sich der besondere Fokus des
Verfas-sungsschutzes NRW. Nicht nur Boston, London und Paris, auch
wir in NRW stehen im Fadenkreuz des islamistischen Terrorismus. Das
zeigen der versuchte Bombenanschlag auf dem Bonner Hauptbahnhof im
De-zember und der vereitelte Anschlag auf einen rechtsextremistischen
Politiker im März dieses Jahres.

Während der Verfassungsschutz im Jahr 2011 noch von etwa 500
Salafis-ten ausging, wird im Verfassungsschutzbericht 2012 das
Personenpoten-zial auf rund 1.000 geschätzt. Aufgrund der aktuellen
Erkenntnislage müssen wir davon ausgehen, dass sich die Zahl in
diesem Jahr auf eine Grö-ßenordnung von 1.500 erfassten Salafisten
zubewegen wird. Wir rechnen dabei jeden Zehnten zum gewaltbereiten
jihadistischen Salafismus. Besondere Sorge bereitet gegenwärtig der
seit dem Vorjahr deutliche Anstieg der Ausreisen junger Salafisten
mit dem Ziel, den Kampf islamistischer Organisationen zu
unterstützen. Hauptziel ist inzwischen Syrien geworden.

2012 sind dem Verfassungsschutz rund vierzig jihadistisch
motivierte Ausreisen aus NRW bekannt geworden. 2013 sind es bereits
mehr als zwanzig Ausreisen überwiegend junger Männer unter 30 Jahren.
In sieben Fällen konnten Ausreisen vor allem dank der Erkenntnisse
des Verfassungsschutzes durch Passentzug verhindert werden. Die
Rückkehrer aus Kampfgebieten stellen ein besonderes Sicherheitsrisiko
dar. Sie gelten in ihrem Umfeld als Autoritäten und tragen maßgeblich
zur Radikalisierung anderer Personen bei. Die Aktivitäten dieser
Gruppe beobachten und analysieren wir daher mit besonderer
Aufmerksamkeit. Wir setzen alles daran, Anschläge zu verhindern.

Die Akteure sind überwiegend in Deutschland aufgewachsen, sprechen
deutsch und sind deutsche Staatsbürger. Deswegen ist die
vorgeschlagene Verschärfung des Ausweisungsrechts auch lediglich ein
stumpfes Schwert.

Um noch effektiver zu werden setzen wir in NRW verstärkt auf
Information und konkrete Hilfe. Die positiven Erfahrungen mit dem
Aussteigerprogramm "Rechtsextremismus" übertragen wir dabei auf den
Kampf gegen den politischen Salafismus. Das neue Präventionsprogramm
"Wegweiser" nimmt Gestalt an. Wir wollen verhindern, dass Jugendliche
in die salafistische Szene hinein geraten. Und befindet sich jemand
bereits in der Szene, will "Wegweiser" einen möglichen Weg hinaus
aufzeigen. Auch Fami-lienangehörige, Freunde und Bekannte erhalten
demnächst auf Wunsch individuelle Unterstützung. Hierfür wird vor Ort
ein vom Land finanzierter konkreter Ansprechpartner zur Verfügung
stehen, der passgenaue Hilfe organisiert.

Zurzeit schaffen wir ein Netzwerk mit kommunalen und privaten
lokalen Partnern. Dazu gehören neben Schulen, Sozialämtern und
Jugendberatungsstellen auch Moscheevereine und Imame. Sie sind
besonders wichtig, weil sie glaubwürdig vermitteln können, dass
religiöser Fanatismus und Gewalt nicht zum Islam gehören.

Anfangen wollen wir mit "Wegweiser" in den Städten Bochum, Bonn
und Düsseldorf. Dort knüpfen wir an bereits vorhandene Strukturen an
und können zügig Erfahrungen sammeln. Wir wollen das Programm im
Dialog mit den islamischen Verbänden weiter ausbauen.

Wegweiser ist Teil eines Gesamtkonzepts gegen Extremismus. Ich
denke, ich habe deutlich gemacht, dass wir entschlossen gegen jede
Form von extremistischer Hetze vorgehen. Mir ist vor allem wichtig,
dass wir uns gemeinsam für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und
das lebendige Miteinander mit den 1,5 Millionen friedliebenden
Muslimen in unserem Land einsetzen. Das Fundament für Freiheit und
Demokratie bilden aufgeklärte und engagierte Bürgerinnen und Bürger.
Jeder von uns ist aufgerufen, Flagge zu zeigen. Wir werden weiter
Kurs halten gegen Extremismus. Dazu braucht es einen langen Atem. Den
haben wir. Vielen Dank!




Rückfragen bitte an:

Ministerium für Inneres und Kommunales
Pressestelle Ministerium für Inneres und Kommunales
Telefon: 0211/871-2300
Fax: 0211/871-2500
E-Mail: pressestelle(at)im.nrw.de
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Datum: 10.06.2013 - 10:39 Uhr
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40213 Düsseldorf



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