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Gemeinsame Pressekonferenz der Polizeidirektion Oldenburg und der Staatsanwaltschaft Oldenburg +++ Beendigung der Sonderkommision Kardio und aktuelle Ermittlungsergebnisse

ID: 1717296

(ots) - Die zur Aufarbeitung der Morde durch den
ehemaligen Krankenpfleger Niels H. im Oktober 2014 eingerichtete
Sonderkommission Kardio wird zum Ende des Monats August 2017
aufgelöst. Die sehr umfangreichen Ermittlungen sind weitestgehend
abgeschlossen. Die Ermittlungen bezogen sich sowohl auf die gesamte
Zeit der dienstlichen Tätigkeiten des Beschuldigten als
Krankenpfleger in Wilhelmshaven, Delmenhorst und Oldenburg, als auch
auf dessen nebenberufliche Tätigkeiten als Rettungssanitäter in
Wilhelmshaven und im Landkreis Oldenburg. Mit heutigem Stand wurden:

- mehr als 800 Rettungsdienstprotokolle ausgewertet,
- weit über 500 Patientenakten überprüft und gesichtet,
- 332 Strafverfahren wegen des Verdachts des Mordes eingeleitet,
- 289 medizinische Sachverständigengutachten zur Frage der
grundsätzlichen Plausibilität eines Sterbefalls in Auftrag
gegeben,
- in weit mehr als 50 Einzelfällen gutachterliche Bewertungen von
speziellen Fallkonstellationen in Auftrag gegeben,
- auf insgesamt 67 Friedhöfen im norddeutschen Raum sowie in den
Bundesländern Bremen und Nordrhein-Westfalen 134 Exhumierungen
durchgeführt. Über 10.000 Einsatzstunden der Polizei sind allein
für die Exhumierungen angefallen.

Ermittlungsergebnisse für Oldenburg:

Für den gesamten Zeitraum der Tätigkeit von Niels H. in den
ehemaligen Städtischen Kliniken Oldenburg wurden 119
Ermittlungsverfahren eingeleitet, 35 Verstorbene wurden exhumiert.
Auf der Station 211 der damaligen Städtischen Kliniken Oldenburg, auf
der der Beschuldigte vom 15.06.1999 bis zum 09.12.2001 gearbeitet
hat, sind derzeit 36 Sterbefällen mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit auf Tathandlungen von Niels H. zurückzuführen.
Diese verteilen sich auf die vom Beschuldigten verwandten Wirkstoffe




wie folgt:

- 9 Taten unter Verwendung von Ajmalin (Medikamentenname:
Gilurytmal),
- 3 Taten unter Verwendung von Sotalol (Medikamentenname:
Sotalex),
- 12 Taten unter Verwendung von Lidocain/Xylocain,
- 2 Taten unter Verwendung von Amiodaron (Medikamentenname:
Cordarex),
- 7 tödlich verlaufende Vergiftungen unter Verwendung von
Kaliumchlorid.

Drei weitere Taten beruhen ohne Substanznachweise auf
tatgeständigen Einlassungen. In einigen wenigen Fällen konnte ein
Tatnachweis - insbesondere bei den Vergiftungen mittels Kalium - ohne
Exhumierung auf Basis der Krankenakten und Sachverständigengutachten
erfolgen. Im Zeitraum von Dezember 2001 bis September 2002 arbeitete
Niels H. nach einer klinikinternen Umsetzung in der Anästhesie der
ehemaligen Städtischen Kliniken Oldenburg. Für diesen Zeitraum lassen
sich keine Morde mit der notwendigen Beweissicherheit feststellen. Ab
dem 25. September 2002 versah der Beschuldigte keinen Dienst mehr in
Oldenburg. Unter Beteiligung der Geschäftsführung der damaligen
Städtischen Kliniken Oldenburg und des Betriebsrats erfolgten zu
dieser Zeit diverse Personalgespräche, nach denen Niels H. zum
31.12.2002 kündigte. Im Oktober 2002 bewarb sich Niels H. beim
damaligen Städtischen Krankenhaus in Delmenhorst, wo er am 15.
Dezember 2002 seinen Dienst aufnahm. Im Zeugnis, das dem
Beschuldigten vom ehemaligen Städtischen Klinikum Oldenburg
ausgestellt worden war, fanden sich keine Hinweise auf
Unregelmäßigkeiten, auffälliges Verhalten oder gar den Verdacht von
Manipulationen zum Nachteil von Patientinnen und Patienten.

Ermittlungsergebnisse für Delmenhorst:

Am 15. Dezember 2002 nahm Niels H. seinen Dienst auf der
Intensivstation im ehemaligen Städtischen Krankenhaus Delmenhorst
auf. Bereits am 22.12.2002 beging er seine erste Mordtat, die er auch
eingeräumt hat. Für den Zeitraum, in dem Niels H. am ehemaligen
Städtischen Krankenhaus Delmenhorst gearbeitet hat, wurden durch die
Sonderkommission Kardio 200 Ermittlungsverfahren eingeleitet. 99
Exhumierungen wurden durchgeführt. Die bisherigen Ergebnisse führten
zum dringenden Tatverdacht des Mordes in insgesamt 48 Sterbefällen,
die sich, bezogen auf die unterschiedlichen Wirkstoffe, wie folgt
verteilen:

- 29 Taten unter Verwendung von Ajmalin (Medikamentenname:
Gilurytmal),
- 4 Taten unter Verwendung von Sotalol (Medikamentenname:
Sotalex),
- 12 Taten unter Verwendung von Lidocain/Xylocain.

Auch hier basieren drei weitere Taten ohne positiven
Substanzbefund auf geständigen Einlassungen des Beschuldigten. Kalium
und Amiodaron konnten als mögliche Tatmittel in Delmenhorst nicht
identifiziert werden. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg beantragte im
Wege der internationalen Rechtshilfe vier Exhumierungen im Ausland,
eine davon in Polen, drei weitere in der Türkei. Die Exhumierung in
Polen sowie eine Exhumierung in der Türkei sind abgeschlossen. Ein
Nachweis toxikologischer Substanzen konnten hier nicht erbracht
werden. Niels H. ist bereits für sechs Patiententötungen, die er im
ehemaligen Städtischen Krankenhaus Delmenhorst begangen hatte, in
zwei abgeschlossenen Prozessen rechtskräftig zu einer lebenslangen
Freiheitsstrafe verurteilt worden. Unter Berücksichtigung dieser
Taten muss man davon ausgehen, dass Niels H. in Delmenhorst insgesamt
54 Patientinnen und Patienten getötet hat. Nach dem derzeitigen Stand
der Ermittlungen können Niels H. somit in Oldenburg und Delmenhorst
90 Mordtaten zugerechnet werden. Die Angaben über die Opferzahlen
sind auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abschließend. Für 41
Sterbefälle liegen noch nicht alle Ergebnisse der toxikologischen
Untersuchungen vor. Alle notwendigen polizeilichen Ermittlungen sind
jedoch weitestgehend abgeschlossen. Niels H. wurde zu den
vorgeworfenen Taten vernommen. Insgesamt wurden sechs
Vernehmungstermine durchgeführt. Der Beschuldigte äußerte sich zu den
Vorwürfen und ließ sich in einer Vielzahl von Fällen geständig ein.
In den meisten Fällen konnte er sich jedoch nicht mehr konkret an
Manipulationshandlungen erinnern, schloss solche aber auch nicht aus.

Tätigkeiten im Rettungsdienst, in Altenpflegeheimen und im
ehemaligen St. Willehad Krankenhaus Wilhelmshaven:

Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen ist davon
auszugehen, dass Niels H. während seiner Ausbildung und späteren
Tätigkeit im ehemaligen St.Willehad Krankenhaus in Wilhelmshaven von
1994 bis 1999 und auch während seiner nebenberuflichen Tätigkeiten im
Rettungsdienst der Stadt Wilhelmshaven in den Jahren 1998 bis 2000
und 2008 keine Taten begangen hat. Zwei entsprechende Strafverfahren
wurden durch die Staatsanwaltschaft Oldenburg eingestellt. Auch für
die kurzfristigen Beschäftigungszeiträume in Altenpflegeheimen in
Wilhelmshaven und Friedeburg in den Jahren 2007 und 2008 konnten
keine Tatnachweise erbracht werden. Die Ermittlungen zu Tätigkeiten
von Niels H. im Rettungsdienst im Landkreis Oldenburg von 2002 bis
2005 sind ebenfalls abgeschlossen. Elf konkrete Verdachtsfälle einer
Vergiftung wurden überprüft und entsprechende Verfahren eingeleitet.
Da diese Patienten nicht aufgrund von Manipulationen verstorben
sind, konnten in diesen Fällen keine toxikologischen Nachweise
geführt werden. Eine strafrechtliche Verfolgung dieser Verdachtsfälle
wegen gefährlicher Körperverletzung war aufgrund der Verjährung
dieser Taten nicht mehr möglich. Darüber hinaus streitet Niels H. die
Begehung von Manipulationshandlungen in seiner Zeit als
Rettungsassistent bis heute ab.

Informationen zum Verfahrensfortgang:

Die polizeilichen Ermittlungen gegen Verantwortliche des
ehemaligen Städtischen Krankenhauses Delmenhorst sind abgeschlossen.
Gegen sechs Mitarbeiter des Krankenhauses wurde im Oktober 2016
Anklage erhoben. Die noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen gegen
die Verantwortlichen der ehemaligen Städtischen Kliniken Oldenburg
werden durch die Mitarbeiter/-innen der Sonderkommission Kardio in
der Polizeiinspektion Oldenburg-Stadt/Ammerland fortgeführt.

Hinweis zur weiteren Erreichbarkeit der Mitarbeiter/-innen der
Sonderkommission Kardio:

Ab dem 01.09.2017 stehen das Presse- und das Hinweistelefon der
Sonderkommission Kardio nicht mehr zur Verfügung. Presseanfragen sind
daher an die Pressestelle der Polizeidirektion Oldenburg unter der
Telefonnummer 0441/799-1041 zu richten. Die Pressestelle der
Staatsanwaltschaft Oldenburg ist weiterhin unter der Rufnummer
0441/220-4042 zu erreichen. Angehörige können unter den
Telefonnummern 0441/790-4831, -4408 sowie unter der Rufnummer
04731/9981-123 Kontakt zu den Ermittlern aufnehmen,die sich nach
Auflösung der Soko Kardio weiterhin mit den Ermittlungen bis zum
endgültigen Abschluss befassen.




Rückfragen bitte an:

Maike Meisterling
Polizeidirektion Oldenburg
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Soko "Kardio"
Theodor-Tantzen-Platz 8
26122 Oldenburg
Tel.: 0441/790-3454
Fax: 0441/799-1040
E-Mail: pressestelle(at)pd-ol.polizei.niedersachsen.de

Oberstaatsanwalt Dr. Martin Koziolek
Staatsanwaltschaft Oldenburg
Pressestelle
Rosenstr. 13/13a
26135 Oldenburg
Tel.: 0441/220-4042
Fax: 0441/220-4679
E-Mail: STOL-Pressestelle(at)justiz.niedersachsen.de

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Datum: 28.08.2017 - 13:00 Uhr
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