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Projektarbeit: Vernetzte Sicherheit mit KOKOS: Einbindung von

freiwilligen Helfern im Katastrophenschutz

ID: 1928843

(ots) - Ob Jahrhundertflut, Orkan oder
Flüchtlingswelle: Für den Katastrophenschutz in Deutschland kommt es
immer wieder unvermutet zu komplexen Einsatzlagen. Dabei zeigte sich
in der Vergangenheit nicht nur, wie anfällig unsere Gesellschaft ist
- stets gab es auch eine große spontane, projektbezogene
Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung, die immense Kräfte freisetzte.
Doch wie lassen sich die Helferinnen und Helfer sinnvoll koordinieren
und als aktive Partner in den Katastrophenschutz einbinden? Dieser
Fragestellung widmet sich das Forschungsprojekt KOKOS.

KOKOS steht für die "Unterstützung der Kooperation mit
freiwilligen Helfern in komplexen Einsatzlagen". Seit 2015
untersuchen das Fachgebiet für Computergestützte Gruppenarbeit und
Soziale Medien der Universität Siegen (CSCW, Konsortialführung), das
Institut für Medienforschung der Universität Siegen, das Institut für
Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT der Universität
Stuttgart sowie die Vomatec Innovations GmbH, wie die Zusammenarbeit
zwischen den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben
(BOS), wie etwa den Feuerwehren und Hilfsorganisationen, und der
Zivilgesellschaft verbessert werden kann und was die Fähigkeit zur
Selbsthilfe bei Bürger*innen und Unternehmen fördert. Dafür
erarbeitet das Projekt, das das Bundesministerium für Bildung und
Forschung mit 1,8 Millionen Euro fördert, spezielle Methoden,
Konzepte und IT-Werkzeuge. Die Branddirektion Frankfurt am Main ist
als assoziierter Partner eng in KOKOS eingebunden.

Das IAT der Universität Stuttgart hat in diesem Kontext ein
organisatorisches Konzept zur Einbindung von Helfer*innen in den
Katastrophenschutz entwickelt. Im Interview stellen Veronika Zettl
vom IAT-Projektteam und Markus Röck, Leiter der Stabsstelle
Kommunikation und Führungsunterstützung bei der Branddirektion




Frankfurt, die Ergebnisse vor.

Maximale Wirkung mit wenig Aufwand Ein Interview mit den
Beteiligten zeigt, wie die Zusammenarbeit zwischen Bevölkerung und
Behörden funktioniert

Frau Zettl, im Forschungsprojekt KOKOS wurde das Konzept der
Mittlerorganisation erarbeitet. Was genau ist diese
Mittlerorganisation? Der Begriff beschreibt einen Verbund von
Menschen, die gewillt sind, sich bei einer kom-plexen Einsatzlage zu
engagieren. Es gibt drei Arten von Mittlerorganisationen: 1.) Spontan
entstehende Gruppen wie etwa 2015 bei der massiven Flüchtlingsankunft
am Frankfurter Hauptbahnhof. Private Einzelpersonen können hier
quasi-professionelle Strukturen wie die Initiative Second planet e.V.
entwickeln und etwa mit der Feuerwehr zusammenarbeiten. 2.)
Bestehende Vereine, also eine im anderen Kontext bereits vorhandene
Struktur, deren Ressourcen die BOS nutzen können - etwa die Tafel
e.V. bei der Essensausgabe. 3.) Organisationen, die speziell dafür
gegründet wurden, um bei Schadenslagen zu helfen, beispielsweise das
Team Bayern.

Wie kamen Sie zu diesem Konzept - und was wollen Sie damit
erreichen? Das Konzept der Mittlerorganisation entstand aus
Beobachtungen in der Praxis. Ob Hochwasser oder Flüchtlingswelle: Die
spontane Hilfsbereitschaft ist da. Unser Ziel ist es, die
Zusammenarbeit mit diesen Menschen besser und effizient zu gestalten,
ohne zusätzlich die BOS - also Behörden und Organisationen mit
Sicherheitsaufgaben - zu strapazieren. Deren Zeit, Kraft und Know-how
sind an anderer Stelle gefordert. Also können sie nun die
Koordination und Steuerung von Freiwilligen an eine
Mittlerorganisation auslagern, die als Schnittstelle zu den BOS
fungiert.

Herr Röck, was bedeutet das für die BOS wie die Feuerwehr
Frankfurt am Main? Welche Vorteile ergeben sich durch die
Zusammenarbeit mit einer Mittlerorganisation? Der Katastrophenschutz
wird in der heutigen Zeit als Thema für die gesamte Gesellschaft
immer wichtiger. Ab einer gewissen Größenordnung geht es bei einer
Einsatzlage um die Manpower: So kann ich beispielsweise Sandsäcke von
Spezialkräften schleppen lassen - oder die Aufgabe mit Hilfe von
Mittlerorganisationen an Zivilisten abgeben. Ein anderes Beispiel
kommt aus der Flüchtlingshilfe: Hier gibt es innerhalb der
Bevölkerung ein Spezialwissen, was Fremdsprachen betrifft. Das können
die BOS selbst gar nicht abbilden, es ist für uns aber sehr
hilfreich. Insofern gilt es, die Selbstkoordination der Hilfsbereiten
mit Hilfe der Erkenntnisse von KOKOS zu forcieren. Ich bin davon
überzeugt, dass das funktioniert: Im Ernstfall würden wir die
Ergebnisse aus KOKOS sofort praktisch umsetzen.

Frau Zettl, wie sieht die Zusammenarbeit zwischen den BOS und
einer Mittlerorga-nisation aus? Wenn der Ernstfall eintritt, sucht
sich die Katastrophenschutzbehörde eine geeignete Gruppe, die sie zur
Mittlerorganisation machen kann. Diese benennt einen Ansprechpart-ner
für die BOS und umgekehrt. Die Gruppe wird offiziell, aber formlos
von den Behörden als Mittlerorganisation ernannt - damit wird sie zum
Verwaltungshelfer und ist versiche-rungsrechtlich geschützt. Die
Ansprechpartner der Mittlerorganisation werden dann in den Krisenstab
oder die Lagebesprechungen mit einbezogen, damit der enge
Informationsaustausch in beide Richtungen gut funktioniert und
Aufgaben verteilt werden können. So entsteht schnell eine sehr enge
institutionelle Verbindung und effiziente Zusammenarbeit.

Welche Aufgaben übernimmt konkret die Mittlerorganisation? Und wie
bindet sie die Helferinnen und Helfer ein? Die zentrale Aufgabe der
Mittlerorganisation als Ganzes ist es, das freiwillige Engagement zu
bündeln und den Behörden strukturiert zuzuführen. Dazu erfasst die
Mittlerorganisation die Kompetenzen und Kontaktdaten der Helferinnen
und Helfer und hat die einzelnen Aufgaben im Blick. Als Aufgabe ist
je nach Einsatzlage alles denkbar, was außerhalb des Gefahrenbereichs
liegt. Bei der Vermittlung zwischen Helferinnen und Helfern
einerseits und den Behörden andererseits spielt auch die
Kommunikation eine wichtige Rolle. Das Motto "command and control"
ist für die BOS sinnvoll, für die Zivilgesellschaft empfiehlt sich
aber ein etwas anderer Umgangston. Die Mittlerorganisation erklärt
den Helfern sachlich und auf Augenhöhe, was zu tun ist, und bildet so
eine soziale und kulturelle Brücke zwischen den Behörden und den
Helferinnen und Helfern. Bisher wurde das im Ernstfall oft
vernachlässigt.

Herr Röck, ist das in der Praxis gut umsetzbar? Ja. Im Nachhinein
zeigt sich, dass wir einiges von den KOKOS-Methoden und Konzepten
schon 2015 bei der Flüchtlingsankunft am Frankfurter Hauptbahnhof
realisiert haben - allerdings ohne genau zu wissen, dass wir das
Konzept einer Mittlerorganisation verfolgen. Das Projekt liefert uns
nun wichtige Werkzeuge, um die ablaufenden Prozesse klarer zu sehen
und professionell zu unterstützen. So erreichen wir eine maximale
Wirkung bei einem geringen Einsatz von Ressourcen, und das ist
wirklich eine große Hilfe.

Welche Rolle spielen dabei die sozialen Medien und
Messenger-Dienste? Sie stellen eine ganz neue Qualität in der
Kommunikation dar: So lässt sich beispielsweise eine Gruppe über
WhatsApp oder auch Facebook schnell und transparent koordinieren. Das
gibt dem Einsatz nochmals eine ganz andere Dynamik. Gerade heutzutage
ist es elementar wichtig, auch diese Werkzeuge zu kennen und für
unsere Zwecke zu nutzen.

Frau Zettl, wer haftet, wenn eine Helferin oder ein Helfer einen
Schaden verursacht? Was ist aus rechtlicher Sicht zu beachten? Wird
eine Mittlerorganisation formlos als solche durch die Behörden
benannt, wird sie mit ihren Helferinnen und Helfern zum
Verwaltungshelfer. Fügt sich jemand von ihnen selbst Schaden zu, ist
sie oder er entweder über die jeweilige BOS versichert, oder es
greift die gesetzliche Unfallversicherung für Nothelfer. Diese deckt
nicht nur Körperschäden ab, sondern auch Sachschäden und -verluste.
Bei fahrlässig verursachten fremden Schäden gilt die Amtshaftung. Der
rechtliche Schutz besteht demnach auch ohne eine schriftliche
Vereinbarung zwischen BOS und Mittlerorganisation. Auch die
schriftliche Registrierung von Helferinnen und Helfern ist dafür zwar
empfehlenswert, aber nicht zwingend erforderlich.

Herr Röck, gibt es aktuelle Beispiele dafür, wann eine
Zusammenarbeit nach KOKOS sinnvoll ist? Nehmen wir das Beispiel der
Evakuierung von 65.000 Menschen in Frankfurt während der
Bombenentschärfung im Spätsommer 2017. Was wäre passiert, wenn wir
die Menschen wesentlich länger hätten betreuen müssen? Auf solche
Fälle können wir künftig gezielter hinarbeiten - auch indem wir im
Vorfeld dafür geeignete Mittlerorganisationen suchen und benennen.
Ansonsten greift das Projekt in Lagen, die wir heute gar nicht
vorhersehen können. Das Konzept der Mittlerorganisation gibt uns aber
eine systemische Antwort auf die Einbindung und Steuerung von mehr
zivilen Ressourcen in Großlagen. Das Konzept ist ein Baustein, dem
die wissenschaftliche Untersuchung der Einbindung von Helferinnen und
Helfern zugrunde liegt. Das bedeutet aber nicht, dass es dazu keine
offenen Fragen mehr gibt. Die Forschung muss hier weitergehen.

Frau Zettl, Sie haben Handlungsleitfäden veröffentlicht, die den
Weg zu einer gelin-genden Zusammenarbeit beschreiben. An wen richten
sich diese Unterlagen? Es gibt zwei Versionen: eine für die BOS und
eine für die Mittlerorganisationen oder die, die es werden wollen -
also Vereine und Verbände, Initiativen oder Interessierte. Die
Leit-fäden geben organisatorische und rechtliche Hinweise. Sie
erläutern, was es bei einer Zusammenarbeit zu beachten gilt und wie
sie idealerweise gestaltet wird. Damit sind sie vor allem präventiv
gedacht, sie helfen aber auch in einer konkreten Situation: Dafür
gibt es Checklisten, die das Wichtigste auf einen Blick
zusammenfassen. So liefert unser For-schungsprojekt konkret nutzbare
Ergebnisse, die in der Praxis sehr hilfreich sind.

Mehr Infos zum Projekt KOKOS online unter
http://kokos.wineme.fb5.uni-siegen.de/

Das Interview führte die Journalistin Nicole Unruh im Auftrag der
Branddirektion Frankfurt




Rückfragen bitte an:

Markus Röck

Leiter Stabsstelle Kommunikation und Führungsunterstützung
Feuerwehr Frankfurt am Main

Telefon: +49 (0)69 / 212 - 720050
E-Mail: pressestelle.feuerwehr(at)stadt-frankfurt.de

oder

Veronika Zettl, M. A.

Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO |
Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT

Forschungsbereich Stadtsystem-Gestaltung
Competence Team »Urban Data & Resilience«

Telefon: +49 (0)711 / 970 2378
veronika.zettl(at)iao.fraunhofer.de

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Datum: 06.07.2018 - 11:40 Uhr
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