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Geschichte der Polizei in S-H: Ringen um respektvolles Gedenken und verantwortungsvolle Erinnerung

ID: 2014427

(ots) - "Die Landespolizei will sich stärker als bisher der
Aufgabe widmen, die wechselvolle Geschichte der Polizei während der
NS-Zeit in Schleswig-Holstein wissenschaftlich aufzuarbeiten", das
erklärte Landespolizeidirektor Michael Wilksen heute (09.11.2018) bei
einer Gedenkveranstaltung in Kiebitzhörn anlässlich des Jahrestages
der Reichspogromnacht.

Ein Anlass dieser Initiative war vor etwa einem Jahr die
Entdeckung, dass im Dienstgebäude in der Kieler Blumenstraße seit
1954 eine bislang völlig unkommentierte Gedenkstätte "zu Ehren
gefallener Kameraden" installiert ist. Neben den Namen einfacher
Polizeibeamter ist dort an der Spitze der Name des früheren Kieler
Polizeipräsidenten und NSDAP-Spitzenfunktionärs Joachim Meyer-Quade
aufgeführt. Während der landesweiten Pogrome am 9. November 1938 soll
er Befehle zur Vernichtung von Synagogen und jüdischen Einrichtungen
in Kiel befohlen haben.

"Eine Person wie Meyer-Quade kann für eine demokratische
Landespolizei, die den Grundwerten von Menschenwürde und
Rechtstaatlichkeit verpflichtet ist, niemals ehrenwert oder gar
traditionsstiftend sein" erklärte Michael Wilksen. "Wir wissen nicht,
welche Kriterien damals bei der Auswahl der Namen angelegt wurden. So
stehen die Namen von möglichen Kriegsverbrechern neben den Namen von
Menschen, die keine Verbrechen begingen". Die notwendige
Neugestaltung des Gedenkens der auf den drei Tafeln aufgeführten im
Zweiten Weltkrieg gefallenen Kieler Polizeibeamten in einem
Dienstgebäude der Landespolizei erfordere eine sorgfältige
historische Beleuchtung der einzelnen Biografien.

Als ersten Schritt hatte die Behördenleitung der Polizeidirektion
Kiel externen Sachverstand eingeholt und gemeinsam mit dem Hausherren
der Bezirkskriminalinspektion entschieden, die Gedenktafel nicht zu
entfernen, sondern sich der Frage nach historischem Wert und




Hintergründen dieser aus heutiger Sicht höchst problematischen Ehrung
zu stellen und im Spiegel einer bewegten Geschichte wissenschaftlich
zu beleuchten. Unter Mitwirkung der Kieler Historiker Claudia Kuhnert
und Dr. Jan Schlürmann ist entschieden worden, zunächst einen
Kommentar in Form einer ergänzenden Informationsplatte anzubringen.
Der kurze Text erläutert den historischen Kontext und kündigt eine
intensive wissenschaftliche Aufarbeitung an.

"Diese Auseinandersetzung ist wichtig und sie ist unerlässlich.
Dabei geht es nicht allein um Aufklärung und Aufarbeitung mit Blick
auf die Verstrickung der Polizei in das NS-System. Wichtiger noch ist
der Ansatz, dass aus einer aktiven Auseinandersetzung mit der
Geschichte das demokratische Selbstverständnis der Polizistinnen und
Polizisten in der Gegenwart gestärkt wird", betonte Dr. Jan
Schlürmann, der die Landespolizei zum Thema Erinnerungskultur beraten
hat.

Die notwendige Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte
erfordere Gründlichkeit und solle unter Einbindung von externem
wissenschaftlichem Sachverstand erfolgen, kündigte Wilksen an: "Diese
Gedenkstätte hier ist nur ein Schritt, für ein noch zu erstellendes
Gesamtbild der Geschichte der Landespolizei. Dabei soll das
respektvolle Gedenken an die Kriegsopfer ebenso berücksichtigt
werden, wie die verantwortungsvolle Erinnerung an die Opfer der
NS-Herrschaft und der deutliche Hinweis auf die Beteiligung von
schleswig-holsteinischen Polizisten an den Verbrechen der NS-Diktatur
vor und während des Krieges". Zuletzt hatte sich 2001 die
wissenschaftliche Dokumentation "Täter und Opfer unter dem
Hakenkreuz, eine Landespolizei stellt sich der Geschichte" intensiv
mit dem Thema Landespolizei im Nationalsozialismus befasst. Das
Innenministerium und der Freundeskreis zur Unterstützung der Polizei
Schleswig-Holstein waren damals federführend. Die ehemalige
Gestapo-Zentrale in der Düppelstraße stand dabei im Fokus der
Betrachtung. Neben der Veröffentlichung einer Publikation wurde vor
dem Gebäude des heutigen 1. Polizeireviers Kiel außerdem ein Denkmal
eingeweiht, das an die Opfer der NS-Herrschaft in Schleswig-Holstein
erinnert.

"Die Rolle der Polizei im Dritten Reich ist Bestandteil der
polizeilichen Ausbildung. Ergänzend finden während der
Holocaust-Gedenkwoche Veranstaltungen an der Polizeischule in Eutin
statt, es werden Vorträge gehalten und die Gedenkstätte in Ahrensbök
besucht", erläutert Wilksen. "Zur israelischen Gedenkstätte Yad
Vashem bestehen Kontakte, die zukünftig noch weiter ausgebaut werden
sollen."




Rückfragen bitte an:

Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration
Schleswig-Holstein
Landespolizeiamt
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Mühlenweg 166
24116 Kiel
Telefon: +49 431 160-61428
E-Mail: pressestelle.kiel.lpa(at)polizei.landsh.de

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Datum: 09.11.2018 - 13:39 Uhr
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