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Polizeipräsidentin Kerstin Wittmeier begleitet eine Spätschicht der Kriminalwache - Persönliche Eindrücke

ID: 2051926

(ots) -
Ihren Schreibtisch hat Polizeipräsidentin Kerstin Wittmeier vor
Kurzem gegen einen Platz im Wagen der Kriminalwache (siehe Info)
getauscht. Sie begleitete die Einsatzkräfte der Kriminalpolizei bei
einer Spätschicht. "Ich möchte die Arbeit an der Basis noch besser
verstehen und ein besseres Gefühl dafür bekommen", erläutert Kerstin
Wittmeier diese Aktion. "Ich möchte die Einsätze begleiten, die
Situation vor Ort spüren und sehen und auch erleben, was täglich auf
die Kolleginnen und Kollegen bei ihren Aufgaben zukommt und was das
mit ihnen macht". Wie es Kerstin Wittmeier in der Spätschicht
ergangen ist und wie sie die Einsätze wahrgenommen hat, schreibt sie
in ihren persönlichen Eindrücken:

14 bis 22 Uhr heißt es vorab - eine ganz normale Spätschicht
wartet auf mich. Aber was bedeutet ein normaler Spätdienst? Das
möchte ich heute sehen. Bevor es losgeht, nutze ich die Chance, mit
einem Großteil der Kolleginnen und Kollegen zu sprechen. Es ist
Übergabephase: der Frühdienst beendet die Schicht, der Spätdienst
startet.

Dann geht es los. Der erste Einsatz: ein Wohnungseinbruch in
Bochum. Ich fahre gemeinsam mit einer Beamtin und einem Beamten los
zum Einsatzort. Wir treffen auf die Kollegen aus dem Wachdienst, sie
waren als Erste am Tatort. Vor allem aber treffen wir auf den
Betroffenen. Der Mieter hat noch gesehen, wie der Einbrecher versucht
hat, in die Nachbarwohnung einzubrechen. Ich spüre schnell, was das
mit ihm gemacht haben muss. Die Nerven liegen blank. Die Haustür ist
aufgebrochen; Geld ist verschwunden, vor allem aber das Gefühl von
Sicherheit. Die beiden Kollegen vor Ort sind ein gut eingespieltes
Team. Sie übernimmt die Befragung, er sichert die Spuren. Ich bin
gespannt, was daraus wird. Die Ergebnisse gehen im Anschluss ihren
Weg zum KK 13, dem Fachkommissariat für Wohnungseinbruchsdiebstahl.





Wir fahren wieder, auf dem Rückweg zum Präsidium kommt schon der
nächste Einsatz. Kein weiterer Wohnungseinbruch, nein, ein Todesfall
mit ungeklärter Todesursache. Fast 1.400 Mal sind die Kräfte der
Kriminalwache im Jahr 2018 zu Todesfällen gerufen worden, bei denen
der Notarzt das Kreuz an die Stelle "Ungeklärte Todesursache" gemacht
hat. Die Häufigkeit erklärt sich so: Der Notarzt kennt den
Verstorbenen in der Regel nicht, weiß also nicht, welche
Vorgeschichte es gibt. Daher erfolgt zunächst die Einstufung
"Ungeklärte Todesursache", was dann die Kriminalpolizei auf den Plan
ruft.

Auf dem Weg dorthin ist mir etwas mulmig zumute. Was wird uns dort
erwarten? Wir halten vor einem Einfamilienhaus. Es ist weihnachtlich
geschmückt, der Rettungswagen steht vor der Tür. Ich lese die
Aufzeichnung der Kollegin: Der Verstorbene ist nur geringfügig älter
als ich - erschreckend. Im Haus wartet neben der Notärztin und den
Sanitätern auch die Familie. Eine Stunde lang wurde versucht, den
Mann zu reanimieren, aber vergebens. Von einem Augenblick zum
nächsten verändert sich die Welt. Nichts ist mehr wie es war. Ein
Ehemann, ein Vater ist nicht mehr da.

Während die Kollegin den "Tatort" aufnimmt und Gespräche mit der
Notärztin und den Sanitätern führt, spricht der Kollege mit der
Ehefrau. Er fragt nach Vorerkrankungen und Ereignissen der
vergangenen Wochen. Er versucht so, der Ursache auf den Grund zu
gehen. In diesem Fall gab es Vorerkrankungen. Trotzdem bleibt ein
ungutes Gefühl zurück. Warum jetzt, warum so früh?

Ich fühle mich unwohl und hilflos. Wir dringen in den engsten
Privatbereich dieser Familie ein, stellen Fragen und hoffen auf
Antworten, zeigen Mitgefühl und brauchen doch auch Distanz. Wir
bleiben, bis der Bestatter kommt und den Verstorbenen abholt, rufen
einen Seelsorger, der die Betreuung übernimmt, halten Weinen aus und
die Zeit, bis es heißt, Abschied zu nehmen. Wir lassen eine Frau
zurück, die gerade ihren Mann verloren hat. Spurlos geht das nicht an
mir vorbei. Ich fühle mich wieder ein klein wenig geerdet und Demut
kommt auch auf - vor dem Leben und den kleinen Sorgen, die
tatsächlich in solchen Momenten klein und unbedeutend sind.

Wir fahren zurück ins Präsidium, die Schreibarbeit wartet. Der
Wohnungseinbruch will zu Papier gebracht werden, der Todesfall
ebenfalls. Im Präsidium treffe ich auf die Kollegen eines weiteren
Einsatzwagens dieser Schicht. Sie kommen gerade zurück von einem
Suizid. Von Depressionen hören sie, es scheint keinen Ausweg gegeben
zu haben, das macht einen traurig. Ich höre auch davon, wie
unterschiedlich Kulturen mit Todesfällen umgehen. Der Mann, der sich
das Leben genommen hat, war ein türkischer Mitbürger. Plötzlich ist
nicht nur die engste Familie anwesend, sondern alle Verwandten. Es
sei keine Seltenheit, dass sich 40 bis 50 Menschen in einer kleinen
Wohnung aufhalten. Es wird laut, es wird geweint und geklagt. Jede
Kultur geht anders mit dem Tod um. Wir aber müssen immer die gleichen
Fragen stellen, für Verständnis werben, dass noch einige Maßnahmen
nötig sind. Mir wird klar, das ist nicht leicht für die Kolleginnen
und Kollegen der K-Wache und meine Achtung steigt weiter für
Menschen, die täglich für uns im Dienst sind.

Ich sage Danke an alle, mit denen ich reden durfte, die mir ihre
Arbeit näher gebracht haben, vor allem aber Danke für den tollen Job,
den sie täglich machen.

Um 22.15 Uhr stehe ich in meinem Büro und fahre den Rechner
runter. Ich habe wieder viel gelernt, von den Menschen und dem
Schicksal, von der Wichtigkeit des Polizeiberufs, vor allem aber über
das Leben. Es ist kürzer als man denkt.

Info: Die Kriminalwache (K-Wache) Die Kriminalwache ist ein Teil
der Kriminalpolizei und rund um die Uhr besetzt. Hier werden erste
Ermittlungen durchgeführt. Dazu zählen etwa erste Zeugenvernehmungen
oder die Spurensicherung nach Einbruchsdiebstählen. Die Kriminalwache
ist hierbei die erste Anlaufstelle. Von hier aus werden die einzelnen
Vorgänge nach den ersten kriminalpolizeilichen Maßnahmen in die
jeweiligen Fachkommissariate weitergegeben, wo die Ermittlungen dann
im Detail fortgeführt werden.




Rückfragen bitte an:

Polizei Bochum
Pressestelle
Tanja Pfeffer
Telefon: 0234 909-1027
E-Mail: pressestelle.bochum(at)polizei.nrw.de
https://www.polizei.nrw.de/bochum/

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