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Studie zu Hasskriminalität: Niedersachsen legt Sonderbericht vor

ID: 2089804

(ots) - Hasskriminalität oder vorurteilsmotivierte
Kriminalität richtet sich gezielt gegen Personen aufgrund deren
sozialer Gruppenzugehörigkeit. Sie orientiert sich an
identitätsstiftenden Merkmalen wie zum Beispiel Hautfarbe, religiöser
Glaube oder sexuelle Orientierung. Der oder die Täter oder Täterin
ist dabei durch Vorurteile gegenüber bestimmten Merkmalen motiviert,
die die gesamte Gruppe des Opfers betreffen und die das Opfer selbst
nicht beeinflussen kann. "Deshalb erleben Betroffene diese Form der
Kriminalität als sehr belastend", so LKA-Präsident Friedo de Vries.
Die Taten können von Beleidigungen und Bedrohungen im oder außerhalb
des Internets über Rufschädigung bis hin zu Raub und Brandanschlägen
auf das Haus oder die Wohnung reichen, in dem das Opfer wohnt.

Über das tatsächliche Ausmaß und die Folgen dieser Straftaten ist
in Deutschland bislang nur wenig bekannt gewesen. Eine neue Studie
der Landeskriminalämter Niedersachsen und Schleswig-Holstein bringt
jetzt ein Stück weit Licht ins Dunkel. "Die Ergebnisse der
repräsentativen Studie ermöglichen uns einen deutlich besseren Zugang
zu diesem Deliktsbereich, auch im Umgang mit den Opfern", so de
Vries.

Die besondere Relevanz von vorurteilsmotivierter Kriminalität
Vorurteilsmotivierte Straftaten haben zwei zentrale Merkmale: Sie
richten sich einerseits gegen Personen aufgrund ihrer Zugehörigkeit
zu bestimmten Bevölkerungsgruppen und fügen diesen individuellen
Schaden zu. Sie funktionieren andererseits aber auch als
"Botschaftsverbrechen": Die Opfer werden als Repräsentant/innen
dieser, von Täter/innenseite abgewerteten Bevölkerungsgruppen
angegriffen. Zudem können sie auch noch einen gefährlichen
Aufforderungscharakter besitzen und somit als Legitimation für
weitere Taten dienen.

Zentrale Ergebnisse der Studie: Zwei Aspekte treten bei Opfern von




vorurteilsmotivierter Kriminalität besonders hervor: deutlich erhöhte
Werte in allen Varianten der Kriminalitätsfurcht und ein signifikant
verringertes Polizeivertrauen im Vergleich zu Betroffenen von
Kriminalität anderer Phänomenbereiche.

Insgesamt berichten 5 % der 18.070 niedersächsischen Befragten,
dass sie im Jahr 2016 Opfer durch Hasskriminalität geworden sind.
Dies entspricht in etwa den mittleren Raten, die auch in der
internationalen europäischen Forschung berichtet werden.

Die mittlere Gesamtanzeigequote (über alle Delikte
zusammengefasst) unter Opfern von Hasskriminalität unterscheidet sich
mit 26,1 % nicht von der mittleren Gesamtanzeigequote aller anders
motivierten Taten (26,9 %). Und auch bei der Betrachtung
diesbezüglicher Unterschiede bei einzelnen Deliktformen ähnelt das
Anzeigeverhalten stark demjenigen von Opfern nicht
vorurteilsmotivierter Kriminalität.

Als tatbegründende Merkmale wurden genannt: Sozialer Status15,1 %
Geschlecht/geschlechtliche Identität14,9 % finanzielle Situation
14,2 % Aussehen12,6 % Alter12,1 % chronische Erkrankung/Behinderung
3,6 % Hautfarbe3,1 % sexuelle Orientierung1,8 %

Hierbei ist zu beachten, dass gerade selten genannte
tatbegründende Merkmale in einzelnen sozialen Gruppen eine große
Rolle spielen können: Im Vergleich der tatbegründenden Merkmale von
Opfern mit und ohne Migrationshintergrund wird dies deutlich. Opfer
mit Migrationshintergrund nennen im Vergleich zu Opfern ohne
Migrationshintergrund anteilig signifikant häufiger die Herkunft
(23,1 % vs. 7,6 %), die Religion (12,0 % vs. 3,5 %) und die Hautfarbe
(8,4 % vs. 3,0 %) als Grund für die erlebte Tat.

Die Berichte zum Verhalten unbeteiligter Dritter während der Tat
fallen ambivalent aus. Es wird sowohl von zivilcouragiertem Verhalten
als auch von Wegsehen bis hin zu ebenfalls abfälligem Äußern
gegenüber den Opfern berichtet. In 23,5 % der Fälle, in denen weitere
Personen bei der Tat zugegen waren, haben diese Hilfe geholt.
Ebenfalls häufig haben sich unbeteiligte Personen mit Worten (51,8
%), körperlich (14,8 %) oder auf andere Weise (41,4 %) für das Opfer
eingesetzt. Neben diesem zivilcouragiertem Verhalten berichten jedoch
auch 43,3 % der Opfer von Unbeteiligten, die weggesehen haben und
14,6 %, dass dritte Personen sich ebenfalls abfällig gegenüber den
Opfern äußerten (es waren Mehrfachantworten möglich).

Opfer von Vorurteilskriminalität leiden besonders stark unter den
Folgen der Tat. Sie weisen neben signifikant erhöhter fortwirkender
Belastung im Vergleich zu Opfern nicht vorurteilsmotivierter
Kriminalität auch besonders hohe Werte auf allen Dimensionen und
Facetten der Kriminalitätsfurcht auf. Dies bedeutet, sie fühlen sich
in ihrer räumlichen Umgebung unsicherer, haben häufiger die
Befürchtung Opfer von Kriminalität zu werden und halten dies für
wahrscheinlicher. Zudem zeigen Sie häufiger Schutz- und
Vermeidungsverhalten gegenüber Kriminalität, indem sie zum Beispiel
eher bei Dunkelheit vermeiden das Haus zu verlassen und sich eher
bewaffnen.

Opfer von vorurteilsmotivierter Kriminalität haben im Vergleich zu
Opfern von nicht vorurteilsmotivierter Kriminalität und Nicht-Opfern
das geringste Vertrauen in die Polizei als rechtsstaatliche
Institution, aber auch in deren Arbeit im Allgemeinen. Hintergründe
und Methode der Studie

Die Kriminologische Forschungsstelle (KFST) des
Landeskriminalamtes (LKA) Niedersachsen führte 2017 bereits zum
dritten Mal (parallel zu einer vergleichbaren Befragung des LKA
Schleswig-Holstein im dortigen Bundesland) eine Befragung zur
Sicherheitslage in Niedersachsen ("Dunkelfeldstudie") durch. Hierzu
wurden vom LKA NI 40.000 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger
über 16 Jahren schriftlich zu den Themenkomplexen Lebenssituation,
Erfahrungen mit Kriminalität, Anzeigeverhalten, Kriminalitätsfurcht,
Wahrnehmung und Bewertung der Polizeiarbeit befragt. Mehr als 18.000
Personen haben sich an der Befragung beteiligt; die Ergebnisse sind
repräsentativ für Niedersachsen.

Ausführliche Berichte zu diesem Kernteil der Befragung für
mittlerweile drei Erhebungszeitpunkte sind abrufbar unter: https://ww
w.lka.polizei-nds.de/forschung/dunkelfeldstudie/dunkelfeldstudie---be
fragung-zu-sicherheit-und-kriminalitaet-in-niedersachsen-109236.html

Die Studie beinhaltet in jedem Erhebungsjahr ein wechselndes
Sondermodul, worin detailliert Erfahrungen mit Spezialformen der
Kriminalität abgefragt werden, die in dem auf Wiederholung angelegten
Kernteil des Fragebogens keinen Raum haben. Im Jahr 2017 umfasste das
Sondermodul das Thema vorurteilsmotivierte Kriminalität, oftmals auch
als "Hasskriminalität" bezeichnet. Zu diesem vertieft abgefragten
Sonderteil der Studie ist ab heute ebenfalls ein ausführlicher
Bericht frei verfügbar unter oben angegebenen Link.

Grenzen der Untersuchung: Ein Vergleich zwischen der offiziellen
Hellfeldstatistik zu Politisch Motivierter Kriminalität (PMK) und den
hier erhobenen Dunkelfelddaten ist unter anderem deshalb nicht
möglich, weil sich die in der Bevölkerung erfragten und die
polizeilich erfassten Straftaten nicht unmittelbar in Deckung bringen
lassen. Einschränkend ist in Bezug auf die hier präsentierte
Datengrundlage zudem zu erwähnen, dass bestimmte Gruppen aufgrund der
mangelnden Erreichbarkeit in entsprechenden Dunkelfeldbefragungen
nicht enthalten sind, beispielsweise Obdachlose oder Personen, die
keine deutschen Sprachkenntnisse haben. Es können zudem keine Angaben
zu den Anteilen der einzelnen betroffenen Gruppen in der Bevölkerung
gemacht werden, da es hierzu keine amtlichen oder sonst validen
Erfassungen gibt.

Bedeutung der Ergebnisse: Es handelt sich bei der hier berichteten
Studie um die erste bevölkerungsrepräsentative Untersuchung in
Deutschland, welche vorurteilsgeleitete Kriminalität und deren
Auswirkungen in entsprechender Bandbreite und Tiefe untersucht. Für
die Polizeiorganisationen der Länder Schleswig-Holstein und
Niedersachsen sind diese Erkenntnisse aus der Studie von hoher
Relevanz.




Rückfragen bitte an:

Landeskriminalamt Niedersachsen
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Telefon: 0511 / 26262 -6301 od. -6302
E-Mail: pressestelle(at)lka.polizei.niedersachsen.de
www.LKA.Niedersachsen.de

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Datum: 07.03.2019 - 11:00 Uhr
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