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Kein Ermittlungsverfahren wegen des Anfang Juni bekannt gewordenen Videos aus dem Islamischen Zentrum in Kaiserslautern

ID: 2191634

(ots) - Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft
Kaiserslautern

Anfang Juni wurde eine Passage aus einem Video des Islamischen
Zentrums in Kaiserslautern bekannt, in der "die Juden" als geldgierig
und arrogant bezeichnet worden sein sollen. Bekannt wurde die Passage
durch eine englischsprachige Veröffentlichung auf der Internetseite
des "Middle East Media Research Institute" am 29.05.2019. Bei dem
"Middle East Media Research Institute" handelt es sich nach eigenen
Angaben um eine unabhängige, unparteiische und nicht
gewinnorientierte Organisation mit Hauptsitz in Washington, DC, die
es sich zum Ziel gesetzt hat, für die politische Diskussion
Informationen aus den Medien des Nahen Ostens unter anderem in
englischer Sprache bereit zu stellen. Diese Veröffentlichung wurde
durch eine Bloggerin weiterverbreitet. Die hiesige Presse berichtete
darüber.

Die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern hat geprüft, ob ein
Verfahren wegen Volksverhetzung einzuleiten ist. Die Feststellung des
Gegenstands dieser Prüfung, nämlich des Inhalts der fraglichen
Äußerungen, war ohne Kenntnisnahme ihres Kontexts, also des
vollständigen Videos, nicht möglich. Das Video liegt der
Staatsanwaltschaft Kaiserslautern vor. Im Internet ist das
vollständige Video nach unserer Kenntnis nicht mehr verfügbar. Es hat
eine Länge von etwas mehr als einer Stunde, ist in arabischer Sprache
und befasst sich mit der Auslegung des Korans. Deshalb hat die
Staatsanwaltschaft zwei Islamwissenschaftler als Sachverständige und
eine vereidigte Dolmetscherin für die arabische Sprache hinzugezogen.

Nach dem Ergebnis der Prüfung liegen keine zureichenden
Anhaltspunkte für eine Volksverhetzung vor. Die Staatsanwaltschaft
Kaiserslautern führt deshalb kein Ermittlungsverfahren durch.

Zum Inhalt der fraglichen Äußerungen:





Das Video zeigt ein Koranseminar, also eine theologische
Veranstaltung. Die Qualifizierung als geldgierig und arrogant bezieht
sich zunächst auf das historische Volk der Juden im Zusammenhang mit
der biblischen und im Koran aufgenommenen allgemein bekannten
Erzählung vom Tanz um das goldene Kalb. Ein Gegenwartsbezug wird
hergestellt über einen Fluch Gottes, der die Juden bis heute mit
diesen Eigenschaften geschlagen habe. Weitere Ausführungen zu
Konsequenzen für die Gegenwart finden sich in dem Video nicht.

Nach dem religiösen Hintergrund werden dabei "die Juden" durch die
(durch Konversion veränderbare) Religionszugehörigkeit definiert,
nicht durch die Abstammung.

An einer anderen Stelle wird "den Juden" vorgeworfen, sie hätten
(zu koranischen Zeiten) Zwietracht unter den Muslimen gesät, was bis
heute noch wirke. Hier ist der Gegenwartsbezug des Vorwurfs, also ein
Vorwurf an die heutigen Menschen jüdischer Religionszugehörigkeit,
nicht eindeutig. Es kann auch gemeint sein, dass die damaligen
Ereignisse bis heute Wirkungen zeigen.

Der Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 des Strafgesetzbuchs)
lautet in seinem hier relevanten Teil wie folgt:

"Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu
stören, 1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre
ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder
gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer
vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass
aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder 2. die
Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete
Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner
Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der
Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren
bestraft."

Bei der Auslegung des § 130 des Strafgesetzbuchs ist die
verfassungsrechtliche Garantie der Meinungsfreiheit zu beachten.

So kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in
seinem Beschluss vom 04.11.2009 - 1 BvR 2150/08 - eine Strafbarkeit
an Meinungsäußerungen dann anknüpfen, wenn diese über die
Überzeugungsbildung hinaus auf Realwirkungen angelegt sind und etwa
in Form von Appellen zum Rechtsbruch, aggressiven Emotionalisierungen
oder durch Herabsetzen von Hemmschwellen rechtsgutsgefährdende
Wirkungen unmittelbar auslösen können. Gefahren, die lediglich von
den Meinungen als solchen ausgehen, sind hingegen zu abstrakt, als
dass sie dazu berechtigten, diese staatlicherseits zu untersagen.

Die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern, beraten durch
Islamwissenschaftler und eine Dolmetscherin, kam nach allem zu dem
folgenden Schluss. Die fragliche Rede verlässt den Rahmen einer
theologischen Auseinandersetzung anhand einer koranischen Erzählung
nicht. Der Gegenwartsbezug an der genannten einen Stelle enthält
keinen Appell, als dessen Folge eine konkrete Gefahr festgestellt
werden könnte. Zwar bedient die Rede antijüdische Reflexe, und zwar
durch eine sprachliche Pauschalisierung der "Juden" und eine
einseitige Selektion von Koranstellen, die Negatives über Juden
aussagen, zulasten anderer, nämlich versöhnlicher, Passagen, die es
im Koran auch gibt. Andererseits muss nach dem theologischen Kontext
davon ausgegangen werden, dass mit "den Juden" die
Religionszugehörigkeit angesprochen ist, nicht die Abstammung. Die
Kritik an "den Juden" kann vor diesem Hintergrund als Beitrag zum
religiösen Meinungsstreit verstanden werden, dessen Schärfe durch
Polemik und durch den monotheistischen Wahrheitsanspruch entsteht.
Für eine weitergehende negative Deutung der Äußerung gibt es in der
fraglichen Rede keine eindeutigen objektiven Belege. Mit dem
Grundrecht auf freie Meinungsäußerung wäre es nicht vereinbar, wenn
Meinungsäußerungen mit dem Risiko verbunden wären, wegen einer
nachfolgenden Deutung einer Äußerung durch die Strafgerichte
verurteilt zu werden, die dem objektiven Sinn dieser Äußerung nicht
entspricht (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. November 2002
- 1 BvR 232/97 -).

Dr. Gehring Staatsanwaltschaft Kaiserslautern




Rückfragen bitte an:

Staatsanwaltschaft Kaiserslautern
Dr. Udo Gehring

Telefon: 0631-3721 0
E-Mail: stakl(at)genstazw.mjv.rlp.de

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Datum: 20.08.2019 - 14:06 Uhr
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