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Übernahme des Ermittlungsverfahrens wegen Mordes zum Nachteil des russisch-georgischen Staatsangehörigen Tornike K. / Mitteilung zum Stand der Ermittlungen

ID: 2260451

(ots) - Die Bundesanwaltschaft hat heute (4. Dezember 2019) die
Ermittlungen wegen des Mordes zum Nachteil des am 23. August 2019 in Berlin
getöteten russisch-georgischen Staatsangehörigen Tornike K. übernommen.

Es bestehen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Tötung von
Tornike K. entweder im Auftrag von staatlichen Stellen der Russischen Föderation
oder solchen der Autonomen Tschetschenischen Republik als Teil der Russischen
Föderation erfolgt ist. Im Hinblick auf diesen mutmaßlichen politischen
Hintergrund der Tat wurde die Schwelle zum Anfangsverdacht nunmehr
überschritten, nachdem sich die neuesten Ermittlungsergebnisse mit den bislang
vorliegenden Indizien zu einem Gesamtbild zusammengefügt haben. Vor diesem
Hintergrund handelt es sich um eine staatsschutzspezifische Tat von besonderer
Bedeutung (§ 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b GVG).

Es besteht nach wie vor dringender Tatverdacht gegen

den russischen Staatsangehörigen Vadim K. alias Vadim S.,

der am 23. August 2019 kurze Zeit nach dem Attentat auf Tornike K. festgenommen
worden war. Das Amtsgericht Tiergarten hat am 24. August 2019 auf Antrag der
Staatsanwaltschaft Berlin Haftbefehl gegen den Beschuldigten unter seinen
Aliaspersonalien Vadim S. erlassen.

Mit den weiteren polizeilichen Ermittlungen hat die Bundesanwaltschaft das
Bundeskriminalamt beauftragt. Unterstützt wird es dabei durch das
Landeskriminalamt Berlin.

Zum gegenwärtigen Stand der Ermittlungen kann Folgendes mitgeteilt werden:

1.Ein Abgleich der Lichtbilder des Beschuldigten mit den in den polizeilichen
Fahndungsdatenbanken zu der Person Vadim K. eingestellten Lichtbildern ergab,
dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein und dieselbe Person handelt. Zu
diesem Ergebnis kam ein Behördengutachten des Landeskriminalamtes Berlin.




Zu Vadim K. existierte eine russische Fahndungsmitteilung vom 23. April 2014,
die am 30. Juni 2014 ergänzt und am 7. Juli 2015 gelöscht wurde. Diese Person
wurde von den russischen Behörden wegen eines am 19. Juni 2013 in Moskau
verübten Mordes gesucht. Der Tathergang wurde seinerzeit durch eine
Überwachungskamera festgehalten. Diese Aufzeichnungen zeigen, wie sich der Täter
auf einem Fahrrad dem späteren Mordopfer genähert hatte. Zunächst gelang es dem
Geschädigten, seinen Angreifer zu Fall zu bringen. Anschließend versuchte das
Opfer, zu flüchten. Der Attentäter folgte ihm und tötete ihn durch mindestens
zwei Schüsse in den Oberkörper und den Kopf.

2. Die Person Vadim S. trat erstmals in einem am 3. September 2015
ausgestellten russischen Inlandsreisepass in Erscheinung. Dessen Ausstellung
erfolgte damit nicht einmal zwei Monate nach der am 7. Juli 2015 erfolgten
Löschung der Fahndungsmitteilung.

3.Der Beschuldigte führte bei seiner Festnahme am 23. August 2019 einen
Reisepass mit sich, der ein von ihm gefertigtes Lichtbild enthielt und auf den
Namen Vadim S. ausgestellt worden war. Die russischen Behörden teilten mit, dass
es sich um ein echtes Ausweisdokument handelt.

4.Vadim K. alias Vadim S. flog am 17. August 2019 von Moskau aus zum Flughafen
Charles de Gaulles in Paris. Für die Einreise benutzte er ein zuvor durch
französische Behörden auf den Namen Vadim S. ausgestelltes Visum für den
Schengen-Raum. Dem Visumsantrag war eine sogenannte Arbeitgeber-Bescheinigung
beigefügt. Sie wies als Aussteller das Unternehmen "ZAO RUST" mit Sitz in St.
Petersburg und als Unterzeichner deren Generaldirektor sowie Buchhalter aus. Sie
bescheinigten dem Beschuldigten eine Anstellung als Bauingenieur seit dem 20.
November 2017 und einen monatlichen Verdienst von 80.000 Rubeln (umgerechnet
rund 1.100 Euro).

Dazu im Widerspruch stehen die im Handelsregister der Russischen Föderation
hinterlegten Daten. Nach dem dortigen Registereintrag vom 10. April 2019 befinde
sich das Unternehmen "ZAO RUST" in "Reorganisation" und habe im Jahr 2018 mit
nur einem einzigen Mitarbeiter Einnahmen in Höhe von 80.000 Rubeln sowie einen
Gewinn von 2.000 Rubeln erwirtschaftet.

Eine dem Unternehmen "ZAO RUST" zugeordnete Telefaxnummer war ebenfalls den
Unternehmen "Oboronenergosbyt" sowie "Oboronenergo" zugewiesen. Diese beiden
letztgenannten Unternehmen gehören dem Verteidigungsministerium der Russischen
Föderation.

5.Vadim K. alias Vadim S. reiste am 20. August 2019 also drei Tage nach
seiner Ankunft in Frankreich auf dem Luftweg von Paris nach Warschau. Dort
bezog er ein zunächst bis zum 25. August 2019 über ein Internetportal gebuchtes
Hotelzimmer und verlängerte die Buchung vor Ort bis zum 26. August 2019. Er
verließ das Hotel vorzeitig am 22. August 2019 gegen 8:00 Uhr und kehrte nicht
mehr dorthin zurück. Welche Aktivitäten der Beschuldigte zwischen dem Verlassen
des Hotels und dem am 23. August 2019 gegen 11:55 Uhr verübten Mordanschlag
entfaltet sowie wo er sich in diesem Zeitraum aufgehalten hat, ist bislang noch
unklar. Es gibt keine Hinweise darauf, dass sich der Beschuldigte vor dem 22.
August 2019 in Berlin aufgehalten, das spätere Tatopfer dort zum Zwecke der
Durchführung des Anschlags selbst ausgespäht oder selbst die Tat vor Ort
logistisch vorbereitet hatte.

6.Das Tatopfer Tornike K. wurde durch russische Behörden als Terrorist
eingestuft und als solcher verfolgt. Ihm wurde vorgeworfen, Mitglied der
terroristischen Vereinigung "Kaukasisches Emirat" gewesen zu sein. Er soll
aktive Mitglieder dieser Vereinigung auf georgischem Staatsgebiet ausgebildet
haben und zudem für die Schleusung von Mitgliedern der Gruppierung zuständig
gewesen sein.

Nach früheren Angaben des Tatopfers sowie der Aussagen von Zeugen soll Tornike
K. tatsächlich an kriegerischen Auseinandersetzungen mit der Russischen
Föderation beteiligt gewesen sein. Im zweiten russisch-tschetschenischen Krieg
soll er im Zeitraum 2000 bis 2004 eine tschetschenische Miliz kommandiert und
gegen russische Streitkräfte gekämpft haben. Sein damaliger Stellvertreter sei
2005 entführt und anschließend von russischen Truppen oder prorussischen
Tschetschenen ermordet worden. Zudem soll Tornike K. im Auftrag der georgischen
Regierung im August 2008 eine 200 Mann starke Kampfeinheit zur Verteidigung
Südossetiens aufgestellt haben. Ende 2008/Anfang 2009 habe Tornike K. Kenntnis
von gegen ihn gerichteten Plänen russischer Behörden erlangt. Hiernach sollte er
getötet oder nach Tschetschenien entführt werden. Zur Umsetzung gelangte dieser
Plan allerdings nicht.

7.Am 28. Mai 2015 gab ein bislang unbekannter Täter in Tiflis (Georgien) bei
einem Anschlag insgesamt acht Schüsse auf Tornike K. ab, der von vier dieser
Projektile getroffen wurde. Abgesehen von diesem Vorfall gab es in Georgien
selbst nach dem dortigen Regierungswechsel im Herbst 2012 keine anderweitigen
gegen Tornike K gerichteten Attentatsversuche.

8.Anhaltspunkte dafür, dass die Tat im Auftrag eines nichtstaatlichen Akteurs
erfolgt ist, liegen bislang nicht vor. Die Ermittlungen haben auch keinerlei
Hinweise auf eine wie auch immer geartete Verbindung zwischen dem Beschuldigten
und dem Tatopfer, geschweige denn für ein persönliches Motiv des Beschuldigten,
ergeben. Bezüge der Tat zur organisierten Kriminalität oder zum Phänomenbereich
des islamistischen Terrorismus liegen ebenfalls nicht vor.



Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA)
Markus Schmitt
Staatsanwalt beim BGH
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Datum: 04.12.2019 - 12:10 Uhr
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